Building Information Modeling (BIM) markiert einen fundamentalen Wandel in der Planung, Errichtung und Bewirtschaftung von Bauwerken. Es handelt sich nicht um eine bloße Software, sondern um eine kooperative Arbeitsmethodik, die digitale Modelle nutzt, um alle relevanten Informationen über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes konsistent zu erfassen, auszutauschen und zu analysieren. Im Kern geht es darum, Daten – von der Geometrie über Materialeigenschaften bis hin zu Kosten und Zeitplänen – in einem zentralen Modell zu bündeln, das als „Single Source of Truth“ dient.
Vom linearen zum zirkulären Denken
Traditionelle Planungsprozesse folgen einem linearen Ablauf: Entwurf, Ausschreibung, Bau, Betrieb. BIM durchbricht diese Silodenken und etabliert einen lebenszyklusorientierten Ansatz. Ein Gebäude wird von der ersten Idee über die Nutzung bis zum Rückbau als dynamische Einheit betrachtet. Diese Perspektive ist entscheidend, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. So konnte beispielsweise das Münchener Projekt „Südliches Gleisdreieck“ durch BIM-gestützte Lebenszyklusanalysen den CO₂-Fußabdruck über 50 Jahre um 23 % senken – vor allem durch wiederverwendbare Stahlverbindungen und optimierte Betriebsprozesse.
Technologische und kulturelle Säulen
BIM basiert auf drei Säulen:
- Technologie: Offene Datenformate wie IFC (Industry Foundation Classes) ermöglichen die interoperable Zusammenarbeit verschiedener Softwaretools.
- Prozesse: Klare Regeln für den Datenaustausch, etwa über eine Common Data Environment (CDE), strukturieren die kollaborative Arbeit.
- Menschen: Neue Rollen wie der BIM-Manager oder digitale Fachplaner überbrücken die Kluft zwischen Technik und Praxis.
Ein Beispiel für die Herausforderungen dieser Interdisziplinarität ist die Frauenkirche München: Hier mussten Laserscanning-Daten des historischen Mauerwerks mit modernen Brandschutzanforderungen harmonisiert werden – ein Prozess, der nur durch die enge Kooperation von Denkmalpflegern, Statikern und Softwareexperten gelang.
Standards und Normen: Der Schlüssel zur Interoperabilität
Trotz Fortschritten bleibt die Dateninteroperabilität eine zentrale Hürde. Zwar definiert die ISO 16739 (IFC) ein universelles Austauschformat, doch in der Praxis kommt es bei der Übertragung zwischen Tools wie Revit, Allplan oder Archicad noch immer zu Informationsverlusten. Die Technische Universität München entwickelte hierzu den OpenBIM-Quality-Checker, ein Tool, das IFC-Dateien automatisch auf Konformität mit dem bayerischen BIM-Mindeststandard prüft.
Parallel dazu behalten traditionelle Standards wie GAEB-XML für die Ausschreibung ihre Relevanz – ein Spagat zwischen Innovation und etablierter Praxis. Die VDI-Richtlinie 2552 Blatt 3 bietet hier Orientierung, indem sie spezifische Anforderungen an die Modellierung von TGA-Anlagen definiert.
Akteure im Spannungsfeld
Die Einführung von BIM verändert etablierte Rollenbilder. Während der BIM-Manager in 78 % der bayerischen Generalunternehmen bereits eine feste Stelle ist, kämpfen viele kleine Planungsbüros mit den Anforderungen. Die HOAI, das Rückgrat der deutschen Honorarordnung, wurde 2023 zwar um BIM-spezifische Leistungen ergänzt, doch rechtliche Grauzonen – etwa zur Haftung bei Modellfehlern – bleiben bestehen. Ein Urteil des OLG München (Az. 34 O 567/22) unterstreicht dies: Es bestätigte, dass ungeprüfte Freigaben von Modellteilen als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden können.
Nachhaltige Mehrwerte
Studien des Fraunhofer IAO belegen die ökonomischen und ökologischen Vorteile von BIM:
- Kostensicherheit: Reduktion von Planungsfehlern um bis zu 40 %,
- Zeiteffizienz: 18 % kürzere Planungsdauer durch automatisierte Kollisionsprüfungen,
- Ressourcenschonung: Präzise Mengenermittlung senkt Materialverschwendung.
Doch BIM ist mehr als ein Effizienztool. Es ermöglicht partizipative Planung: Beim Umbau des Olympiaparks München konnten Bürger:innen via Webviewer frühzeitig Feedback zu Entwürfen geben – ein Meilenstein für transparente Stadtentwicklung.
Herausforderungen und Ausblick
Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Länder wie Großbritannien (BIM Level 2 seit 2016) oder Singapur (BIM-Pflicht ab 2015) zeigen, dass eine staatlich gesteuerte Strategie entscheidend ist. Hierzulande hemmen eine fragmentierte Softwarelandschaft und konservative Vergabepraxis die flächendeckende Umsetzung.
Dennoch ist BIM keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Angesichts des Fachkräftemangels, der Klimakrise und steigender Komplexität von Bauprojekten wird die Methode zum Enabler der digitalen Transformation. Die Aufgabe der nächsten Jahre ist es, Technologie, Recht und Kultur in Einklang zu bringen – damit BIM nicht nur in Pilotprojekten glänzt, sondern zum neuen Standard wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Leitfadens „BIM-Management für den deutschen Markt“, der monatlich um neue Erkenntnisse aus Praxis und Forschung ergänzt wird. Nächste Ausgabe: Vertiefung der Planungsphase mit Fokus auf KI-gestützte Entscheidungsfindung.