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Kapitel 2: Die Planungsphase – Strategische Weichenstellung für erfolgreiche BIM-Projekte

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Die Planungsphase bildet das Fundament eines jeden BIM-Projekts. Hier werden nicht nur technische, sondern auch organisatorische, rechtliche und kulturelle Weichen gestellt, die über den Erfolg des gesamten Lebenszyklus entscheiden. Im deutschen Markt, geprägt von mittelständischen Strukturen und komplexen regulatorischen Rahmenbedingungen, erfordert dies eine Balance zwischen Innovation und Praxistauglichkeit.

BIM-Einführungsstrategie: Vom Pilotprojekt zur Routine

Jedes BIM-Projekt beginnt mit einer klaren Strategie, die auf die spezifischen Anforderungen des Bauherrn und die Projektgröße zugeschnitten ist. In Bayern hat sich der BIM-Mindeststandard für öffentliche Bauvorhaben als Richtschnur etabliert. Er definiert sieben Reifegrade – von „BIM Basic“ (reine 3D-Modellierung) bis „BIM Advanced“ (vollintegrierte Lebenszyklusbetrachtung). Ein Paradebeispiel ist der U-Bahn-Ausbau in Nürnberg, wo eine schrittweise Einführung über drei Jahre hinweg erfolgte: Zunächst wurden Pilotprojekte wie die Station „Flughafen“ in BIM umgesetzt, bevor das Wissen auf das gesamte Netz übertragen wurde.

In Baden-Württemberg setzt man stärker auf Bottom-up-Ansätze. Das Projekt „Talbrücke Auenbach“ an der B107 demonstriert dies: Durch die Einbindung von 15 lokalen Planungsbüros in Schulungen des BIM-Clusters Süd konnten selbst KMU ohne Vorerfahrung innerhalb von sechs Monaten IFC-konforme Modelle liefern. Schlüssel hierbei war ein dreistufiges Schulungskonzept:

  1. Grundlagentraining zu OpenBIM-Standards
  2. Tool-spezifische Workshops (Allplan, Revit, Archicad)
  3. Kollaborative Praxisprojekte mit Cloud-basierten CDE-Plattformen

Dennoch bleibt die Einführung eine Herausforderung: Eine Umfrage der Bayerischen Architektenkammer (2024) zeigt, dass 63 % der kleinen Büros die Kosten für Softwarelizenzen (bis zu 15.000 €/Jahr) als Haupthindernis sehen. Hier setzen Initiativen wie die BIM-Startup-Förderung des BMDV an, die Open-Source-Tools wie „BIMData“ für den Mittelstand entwickelt.

Leistungsbilder und Verträge: Rechtssicherheit in der digitalen Ära

Die Anpassung von Verträgen an BIM ist eine der drängendsten Aufgaben. Die HOAI-Novelle 2023 hat hier erstmals BIM-spezifische Leistungen wie „modellbasierte Kollisionsprüfung“ oder „4D-Bauablaufsimulation“ als gesondert vergütungsfähig verankert. Doch in der Praxis zeigen sich Lücken: Beim Olympiapark München führte eine unklare Regelung zur Modelleigentumsübertragung zu einem zweijährigen Rechtsstreit. Das OLG München entschied schließlich, dass BIM-Modelle als „digitale Bauakten“ dem Bauherrn zustehen – ein Präzedenzfall, der nun in den Muster-BV BIM des BMDV eingeflossen ist.

Ein innovativer Ansatz kommt aus Baden-Württemberg: Im Stuttgarter Stadtentwicklungsprojekt „Rosensteinviertel“ werden Smart Contracts genutzt, die Zahlungen automatisch nach Erreichen definierter Meilensteine (z. B. LOD 350) auslösen. Blockchain-basierte Protokolle dokumentieren dabei jede Änderung – ein System, das Konflikte um Nachträge um 45 % reduziert hat.

Softwareauswahl: Interoperabilität als Schlüssel zum Erfolg

Die Wahl der richtigen Software ist kein technischer Detailpunkt, sondern strategische Entscheidung. Eine Studie der TU München verglich 2024 zwölf BIM-Tools anhand von 50 Kriterien – von der HOAI-Konformität bis zur KI-Integration. Ergebnis:

  • Allplan glänzt bei der Ausschreibung (GAEB-XML-Export)
  • Revit dominiert in der Cloud-Kollaboration
  • Archicad überzeugt bei der Bestandsmodellierung

Doch reine Softwarekompetenz reicht nicht aus. Das Projekt „Sanierung der Stuttgarter Wilhelma“ zeigt, dass die Kopplung von BIM mit Geoinformationssystemen (GIS) immer wichtiger wird: Durch die Integration von Baumkataster-Daten in das BIM-Modell konnten artenschutzrechtliche Auflagen bereits in der Entwurfsphase berücksichtigt werden – ein Meilenstein für nachhaltige Stadtplanung.

Bestandserfassung: Präzision trifft Pragmatismus

Die Erfassung bestehender Strukturen ist oft der unterschätzte Kostenfaktor. Während Großprojekte wie die Münchner Residenz auf hochpräzises 3D-Laserscanning (±2 mm) setzen, setzt Baden-Württemberg bei KMU-Projekten auf kostengünstige Hybridverfahren. So wurde beim Umbau der Tübinger Altstadt Photogrammetrie-Drohnen mit historischen Plänen kombiniert, um ein as-built-Modell mit 5 cm Genauigkeit zu erstellen – bei 60 % geringeren Kosten als klassisches Scanning.

Ein Durchbruch gelang 2024 mit KI-gestützter Punktwolkenauswertung: Das Fraunhofer IAO entwickelte einen Algorithmus, der automatisch Tragwerksdaten aus Scandaten ableitet. Angewendet bei der Sanierung der Ulmer Bundesfestung, reduzierte dies den Modellierungsaufwand von 12 auf 3 Wochen.

Kooperative Arbeitsprozesse: Vom Datenchaos zur digitalen Disziplin

Die größte Hürde in der Planungsphase ist nicht die Technik, sondern die menschliche Zusammenarbeit. Der BIM-Mindeststandard Bayern schreibt daher verbindliche Kommunikationsregeln vor:

  • Wöchentliche Modellabstimmungen in virtuellen Räumen
  • Rollenbasierte Zugriffsrechte im CDE
  • AI-gestützte Versionierung mit automatischem Change-Log

Ein Vorreiter ist das Projekt „Stuttgart 21“, wo eine CDE-Plattform über 500 Terabyte an Modell-, Vertrags- und Sensordaten verwaltet. Durch die Integration von Natürlicher Sprachverarbeitung (NLP) können selbst nicht-technische Stakeholder per Sprachbefehl Bauteile identifizieren – ein Quantensprung für die Bürgerbeteiligung.

Herausforderungen und Lessons Learned

Trotz aller Fortschritte zeigen Praxisbeispiele wiederkehrende Schwachstellen:

  1. Daten-Silos: 72 % der Handwerksbetriebe nutzen Excel statt CDE (Studie Bauindustrie BW 2024)
  2. Overengineering: Überdetaillierte Modelle verzögern Genehmigungsprozesse (Fallbeispiel: Klinikum Augsburg)
  3. Kulturelle Widerstände: 45 % der Projektleiter über 50 lehnen BIM als „akademisches Spielzeug“ ab

Die Lösung liegt in einer dreisäuligen Strategie:

  • Top-down: Staatliche Vorgaben wie der BIM-Mindeststandard
  • Bottom-up: Regionale Schulungsinitiativen (z. B. BIM-Cluster Südbayern)
  • Cross-industry: Plattformen wie die BIM-Allianz Deutschland für branchenübergreifenden Austausch

Die Planungsphase

Ausblick: KI als Game-Changer

Die nächste Evolutionsstufe der Planung ist bereits in Sicht: Am KIT Karlsruhe wird ein KI-System trainiert, das aus Stakeholder-Feedback automatisch Raumprogramme generiert. Erste Tests im Projekt „Quartier Zukunft Karlsruhe“ zeigen, dass 80 % der Nutzerwünsche algorithmisch abbildbar sind – bei halbierter Planungszeit.

Dieses Kapitel ist Teil des Leitfadens „BIM-Management für den deutschen Markt“. Nächste Ausgabe: Vertiefung der Bauausführungsphase mit Fokus auf KI-gestützte Logistik und autonome Baustellen. Bei Interesse an Workshops oder individuellen Beratungen kontaktieren Sie uns!

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